Porträt: „Aachen – HipHop – Familie & Freunde“ Stevenhill85 – Eine Kämpfernatur in der HipHopszene

Stevenhill85 Videodreh

Kristof Mittelstädt aka Stevenhill85 ist in seiner Hood Aachen schon längst ein bekannter HipHopper und Aktionist – der auf Rebellion aus ist, wenn er Mißstände sieht. „Es geht um’s Bewusstsein schaffen!“ Die Hauptmessage seiner Musik: „Wenn du willst, dass irgendwas anders ist, dann mach auch was dafür!“

Der 31-jährige Rapper aus Aachen dachte schon, seine musikalische Karriere wäre am Ende, doch die neue Version vom „Kaiserstadtrap“, die seine Liebe zu seiner Stadt Aachen wiederspiegelt und er gemeinsam mit seinem Vater Willie Mittelstädt aufgenommen hat, wurde innerhalb weniger Tage über 1.000x auf Facebook geteilt. Das macht den „Kaiserstadtrap“ zu seinem erfolgreichsten Song bisher, obwohl er ihn schon vor zehn Jahren geschrieben hat. Stevenhill hat wieder Hoffnung und das motiviert ihn.

Der Statusbericht

Zur Zeit arbeitet er an seinem neuen Album „THC : Talent – Haltung – Charakter“ und darüber hinaus sorgt er auch für regelmäßigen Output im Internet, wie z.B. mit seinem „Statusbericht“, der monatlich auf Youtube und Facebook erscheint und ihn beim Texten und recorden zeigt. Das darauffolgende Video macht das Ganze dann komplett. Die Challenge: 90min. Text – 90min. Aufnahme – 90min. Video.

Sinn und Zweck hinter dem Statusbericht: einmal den ganzen Speicher leer machen, der sich über Jahre angesammelt hat. Wahrscheinlich auch über die Jahre, die Mittelstädt als seine „verlorenen Jahre“ bezeichnet.

Wie auch schon bei seinem Album „ADS – Adrenalin – Dopamin – Serotonin“, gibt es auch beim Statusbericht drei unterschiedliche Parts: Der erste Teil besteht aus etwas technischem Geprolle, dann folgt im zweiten Teil der politische Ärger und im dritten Teil kommt dann noch persönlicher Frust dazu.

Es ist ein verregneter Tag, an dem Mittelstädt seinen Videodreh für seinen dritten Statusbericht angesetzt hat. Er wirkt gut vorbereitet, denn er weiß, warum er hier ist. Professionelle Hilfe als Kameramann hat er heute das erste Mal dabei, denn bisher hat er das ganze Programm allein durchgezogen. Joshua Stolz, der eigentlich freiberuflich für verschiedene TV-Produktionen arbeitet, hält einiges von Stevenhill85 und deswegen unterstützt er ihn gerne: „Kristof ist schwer in Ordnung und als Künstler sehr talentiert. Leider gab es bei ihm lange keine Weiterentwicklung, aber zum Glück ist bei ihm jetzt der Knoten geplatzt. Und da man irgendwann nicht mehr alles alleine machen kann, helfe ich wo kann.“ Der dritte Statusbericht wird vor verschiedenen Kullissen gedreht, damit Joshua später beim Schnitt eine vielseitige Auswahl hat. Im Wäldchen, beim Steinmetz mit anliegendem Friedhof, an der Schnellstraße und vor einer Graffitiwand. Stevenhill nimmt seine Sache sehr ernst und ist dabei aber auch offen für Vorschläge von außen. Das schlechte Wetter macht keinem von beiden etwas aus, im Gegenteil: Es unterstützt die gesellschaftskritische Message:

„Dieser Donald ist Choleriker; herzlich willkommen in Amerika. Eliten kommen nicht mit diesem Thema klar; ich hingegen habe stets ein Problem mit dem System gehabt, das sexistisch ist: Grab ‚em by the pussy.‘ Shit, das geht an jeden echten Mann, denn es wuchs auf unserem Mist: das heiße Eisen mit den alten Weißen, hier wird der Einfluss von Minderheiten klein gehalten.“ rappt Stevenhill in seinem dritten Statusbericht – und bis August sollen noch einige folgen: Jeden Monat einer.

Nach den Dreharbeiten geht es weiter zu seiner Wohnung, wo er seine Statusberichte einmal im Monat einrappt und normalerweise auch schneidet. Zwei bis drei Nächte braucht er meistens dafür. Stevenhill versucht seinen Rap zu beschreiben: „Ich komme aus dem Battle-Rap – es ging immer darum, der Beste zu sein – am Anfang habe ich sehr viel Wert auf Technik gelegt. Teilweise war ich auch Emo-Rapper, der Musik als Therapie gesehen hat – doch mittlerweile mache ich Concious-Rap: Politischen Rap.

Wenn in Deutschland über politschen Rap geredet wird, dann ist damit immer gesellschaftskritischer Rap gemeint, der sich gegen die herrschenden Machtverhältnisse und Eliten richtet und eher linke Positionen vertritt (…)“ 1

Ich möchte im Moment gerne als politischer Künstler wahrgenommen werden. Ich finde, Musik muss das nicht immer sein – aber im Moment muss sie es einfach sein.“, sagt er sehr bestimmt. Einer, der wohl einprägsamsten politischen Songs von ihm ist mit Sicherheit der „Junge im Sand“ („Während ein Krieg tobt, sind wir um unsere Währung besorgt. Rüstungsaktien sind stabil, dank unserm nächsten Export. Wir geben Waffen raus, doch lassen diese Menschen nicht rein. Wir spannen Stacheldraht und reißen diese Grenzen nicht ein. Neben dem Massengrab liegen die Touristen am Strand. Ich seh den Mann im Spiegel an und sage: Du machst mich krank!“)

Stevenhill redet offen über Mißstände, und die sieht er momentan nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft. Rechtsextremismus sei nicht aktzeptabel und dennoch immer präsenter. Nebenbei dreht er sich einen kleinen Joint, der sein etwas aufgeregtes Gemüt ein wenig ruhiger werden lässt.

Redefreudig erzählt er dann weiter über sein Leben und ist dabei sehr ehrlich, auch was seine Schwächen angeht. „Aachen – HipHop – Familie & Freunde“ sind seine drei Säulen, die ihm Kraft geben und ihm das Wichtigste sind. Der 31-jährige Rapper Kristof Mittelstädt wurde am 28.08.1985 im Luisenhospital in Aachen geboren, und lebt seitdem in dieser Stadt. Ebenfalls sein Künstlername bezieht sich auf seine Lieblingsstadt: Der Name „Stevenhill“ ist seine freie Übersetzung von dem Aachener Ortsteil „Steppenberg“ – dem Ort, an dem Mittelstädt mit seinen Geschwistern Andreas (29) und Julia (33) aufwuchs. Die „85“ steht für sein Geburtsjahr. Sein Vater Willie Mittelstädt (64) ist selbst Musiker und spielt seit über 40 Jahren Gitarre. Er feierte letztes Jahr mit seiner Coverband „Die Aixoten“ sogar schon 20-jähriges Jubiläum, sodass die starke Verbindung zur Musik, die auch Kristof sein Leben lang verspürt, wahrscheinlich in der Familie liegt. „Für mich ist Kristof in erster Linie ein Poet, der es geschafft hat, seinen Gedichten eine überaus interessante musikalische Plattform zu geben. Seine musikalische Energie hat ihn schon häufig den Schlaf gekostet, aber das hält ihn nicht davon ab, immer wieder zu schreiben und Themen aufzugreifen, die ihn berühren.“, so Willie Mittelstädt.

Nachdem Stevenhill mit seiner alten Crew „Dope&Tight“ von 2009 – 2012 einen großen Hype erlebt hat, löste sich die Crew wegen persönlicher Differenzen irgendwann auf. In seinen „verlorenen Jahren“, die darauf folgten, war er getrieben von ADHS, Alkoholsucht und Depressionen. Sein übermäßiger Konsum hat ihm einiges kaputt gemacht, denn irgendwann hatte er eigentlich nur noch seinen Vater, der ihm beiseite stand.

„Ich hab einfach zuviel Rock’n Roll gemacht. Die eine Hälfte war das Leben. Die andere Hälfte hab ich verkackt.“, erzählt er ganz ehrlich. Doch mit der Geburt seines Sohnes Samuel (2) änderte sich sein Lebensmittelpunkt und seitdem geht er sein Leben bewusster an. Neben seiner Musik ist er ein liebevoller Vater, der seinen Sohn auf den ersten Platz stellt. Nach dieser langen persönlichen Krise erfüllte sich Kristof Mittelstädt schließlich auch einen lang ersehnten Traum: mit seinem Vater zusammen Musik zu machen.

Sie veröffentlichten letztes Jahr das Album „OMA – Ohrwürmer mit Attitüde“ und touren bis heute gemeinsam durch die Aachener Region. Diese verlorenen Jahre, die Mittelstädt oft erwähnt, sind daher eher als Jahre des Wachstums und der Transformation zu sehen, denn heute kann er darauf zurückblicken und sagen: „Ich bin musikalischer geworden“.

Kunst und Konsum sollten nicht zusammengehören

Kunst und Konsum gehörten zwar einst für Stevenhill zusammen, doch mittlerweile ist das anders. Er spricht über seine Erfahrungen mit Musik und Rausch. Er ist ein HipHopper und der Konsum von potenziellen Suchtsubstanzen ist für viele in dieser Szene normal, doch er ist in den letzen Jahren reifer geworden. „Kunst und Konsum sollten nicht zusammengehören“, fasst er als Fazit zusammen und zieht auch Vergleiche zu anderen Rapkollegen. Nachdem Stevenhill auch schon etliche Male über seinen Konsum gerappt hat, möchte er nun einen Neuanfang, ganz ohne Alkohol.

Selbst in seinen konsumreichsten Phasen hat ihn allerdings ein Rapkollege nie fallen gelassen: Nic Knatterton, ebenfalls ein bekannter Rapper aus Aachen. Die beiden kennen sich seit fast zehn Jahren und seit über vier Jahren ist Stevenhill fester Bestandteil von Nic Knatterton’s Bühnenprogramm. Nic Knatterton macht schon seit über 25 Jahren Musik und hat auch überregionale Auftritte. Mittlerweile sind die beiden sehr gut befreundet und Nic Knatterton schätzt Mittelstädt als Mensch sowie auch als Musiker „Er ist lebendiges Neo-Rock’n-Roll. Ein Mensch mit großen Ideen und zudem einem riesigen Umsetzungs- und Aktionspotential! Außerdem ist Kristof ein lieber, mitfühlender Mensch, ein toller Papa und ein sehr, sehr guter Freund!“

Sein Umsetzungs- und Aktionspotenzial lebt Mittelstädt allerdings nicht nur in seiner Musik aus. „Wenn du willst, dass irgendwas anders ist, dann mach auch was dafür!“, lautet sein Motto. So ist er z.B. Gründer der Initiative „Macht mal Lärm!“, die sich seit 2014 für die freie Aachener Kultur sowie den Erhalt von Proberäumen und Spielstätten einsetzt. Dieses Jahr überlegt er sich mit der Intitavite „Macht mal Lärm!“ gegen Rechts und Populisten Gehör zu verschaffen und zu demonstrieren. Kristof Mittelstädt liebt seine Kaiserstadt und setzt sich gerne für sie ein. „Ich glaube, das Aachen eine sehr prägende Stadt ist. Dass du hier einmal fast jede Art von Mensch kennenlernen kannst. Aachen hat ein gewisses Charisma, und es hat mir meinen Schneid und meine Mundart mitgegeben. Ich bin hier geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Der Kreislauf meines Lebens soll sich auch hier schließen.“ formuliert er auf die Frage, was er mit seiner Heimatstadt verbindet.

Er spricht sehr klar und selbstreflektiert. Sein neuer Versuch mit HipHop wirkt durch seine musikalische sowie persönliche Entwicklung wesentlich professioneller. Zwar pickt er sich für seine Statusberichte immer noch Beats aus dem Internet, doch auch das soll sich in Zukunft ändern. Für sein neues Album „THC“ möchte er gerne mit verschiedenen Musikern zusammenarbeiten und das erste Mal seine Texte auf eigene Beats einrappen, vielleicht sogar mit richtigen Instrumenten. „Ich möchte in Zukunft nicht nur Rapper sein – ich möchte in 10 Jahren Rapper und Musiker sein – und das ein Guter.“

Porträt by Chaoskind

Weitere Infos zu Stevenhill85:

Interview mit Stevenhill85 zur Debüt-EP „Stevenhill und der Alte“ >>> 

Stevenhill on Facebook >>>