Hey Crystal-Ice. Du hast am 05.05.2017 dein Debütalbum „CRYSTYLE“ veröffentlicht. Was ist seitdem passiert?
Seit der Veröffentlichung meines Albums sind viele tolle Dinge passiert. Ich habe nach der Veröffentlichung im Anschluss weiterhin auf Musikvideos und Marketing gesetzt, was sich im Nachhinein sehr für mich ausgezahlt hat. Somit bin ich sehr zuversichtlich, hoffentlich bald kein regionaler Rapper mehr zu sein.
Erfreulicherweise hat es mein Album dadurch auch bereits ins Radio geschafft und einige Zeitschriften haben über die Veröffentlichung berichtet. Neben Nachrichten von Fans, gab es ebenfalls auch Featureanfragen einiger Untergrundrapper und es haben sich Leute gemeldet, die mir angeboten haben mein Management zu übernehmen.
Nicht zuletzt hat auch der regionale Aspekt in meiner Musik dazu beigetragen, dass lokal viel über mich berichtet wurde. Auf meinem Album befindet sich nämlich ein Song mit einem starken Bezug zu meiner Heimatstadt. „Sommer in Aachen“ heißt er, zu dem wir auch das Musikvideo bei mir im Viertel gedreht haben. So kam es, dass ich zum Beispiel vom WDR kontaktiert wurde und kurze Zeit später in der Lokalzeit aus Aachen ein Beitrag über meine Musik und mich im Fernsehen gezeigt wurde. Für diese tolle Unterstützung bin ich sehr dankbar!
Vielleicht klappt es sogar noch mit einem fünften Musikvideo dieses Jahr, aber ich will mir nicht zu viel Stress machen und den Fokus lieber auf Qualität legen. Ich habe nämlich einen ganz besonderen Anspruch an meine Musikvideos und versuche mich dabei jedes Mal selbst zu übertreffen und etwas Neues zu schaffen, was viele andere Rapper ohne Weiteres so nicht auf die Beine stellen könnten.
Zwischenzeitlich bin ich ja auch noch in andere Projekte involviert und drehe z. B. Musikvideos für andere sehr ehrgeizige Rapper aus der Region, wie etwa Scapsis oder Nic Knatterton. Viele Grüße an dieser Stelle!
Du hast das Video zum Track „Paradies“ komplett im Comic-Style gestaltet. Wie kamst du auf die Idee und wieviel Aufwand hat dieses Video in Anspruch genommen?
Das Musikvideo zum Song „Paradies“ war auf jeden Fall eins meiner teuersten. Ich hatte das Drehbuch dazu geschrieben und ursprünglich vor, ein normales Video in einem botanischen Garten dazu zu drehen. Es hatten auch schon zuvor umfangreiche Vorbereitungen in der Pre-Production stattgefunden, wie z. B. die Suche nach den geeigneten Locations, die Entwürfe der Outfits, eine Tanzchoreographie, usw. Der Schwerpunkt hätte auf der Performance der Tänzerinnen gelegen und die ganze Story wäre in abgespeckter Form dargestellt worden. Eine zentrale Rolle hätte dabei der Garten, und bei der Performance, die mit Liebe zum Detail ausgearbeiteten Outfits der Hauptdarsteller gespielt, was das Thema „Style“ meines Albums noch mehr verdeutlichen und stärker zum Ausdruck bringen sollte. Anstatt eines weiblichen Teufels am Ende, sollte ursprünglich ein männlicher Teufel während des Videos zu sehen sein, der meinen Kumpel Reaze und mich immer wieder zum Bösen anstiften will.
Durch zahlreiche unzuverlässige Leute wurde der Drehtermin aber immer wieder ins Endlose verschoben, bis die geplante Umsetzung leider aussichtslos erschien, ich keinen Bock mehr auf die Leute hatte und ein neues Konzept her musste.
Letztendlich war die Umsetzung als Comicvideo eine gute Entscheidung, da ich in der Comicversion viel mehr Möglichkeiten hatte, das Drehbuch zu verbessern und noch kreativer umzugestalten. So kam u.a. beispielsweise das Konzept mit den versteinerten Leuten oder den antiken Locations noch hinzu, was im Film so ohne Weiteres für uns vielleicht nicht möglich gewesen oder mit erheblichem Aufwand verbunden wäre.
Ich bin ja generell immer auf der Suche nach neuen originellen Ideen, um mich von der Masse abzuheben. In Amerika gab es schon zahlreiche Musikvideos im Comicstil aber in Deutschland ist das noch nicht so populär. Jedenfalls wollte ich schon immer mal ein Musikvideo in einer Zeichentrickversion herausbringen, nur kam bisher dazu noch nicht die passende Gelegenheit. Nun war sie da. Also habe ich eine Produktionsfirma damit beauftragt, mein Konzept für ein Comicvideo umzusetzen. In enger Zusammenarbeit und ständigem Austausch, habe ich gesehen, wie die ersten Zeichnungen entstanden und die Figuren animiert wurden.
Die Rückmeldungen waren überwältigend. Auch mehrere Blogger haben über das Comicvideo berichtet. Für mich ist das ein Beweis dafür, wie gut Marketing funktionieren kann, wenn man eine coole Idee und ein starkes Konzept mit neuen Darstellungsformen verbindet.
Wie lange hast Du denn eigentlich an dem gesamten Album gearbeitet?
Ich habe in der Tat etwas länger an dem Album gearbeitet als anfangs geplant. Insgesamt waren es, glaube ich, fast zwei Jahre, in denen ich die passenden Beats gesucht, die Texte geschrieben, das Album aufgenommen, das Cover gestaltet, die ersten groben Konzepte für die Musikvideos entworfen und mich über Vertriebswege, Labels, usw. informiert habe.Es war ein Herzensprojekt und ich wusste, dass es etwas sehr Besonderes wird. Man muss bedenken, dass ich davor nur Homerecordings gemacht habe. Seit diesem Album erst habe ich alles auf ein professionelles Level gehoben, habe erstmals im Musikstudio aufgenommen und mir komplett alle Strukturen und Beziehungen selbst erarbeitet und aufgebaut.
Leider hat es sich danach aber traurigerweise alles sinnlos über eine lange Zeit hinweg sehr in die Länge gezogen. Das Problem war, dass ich damals mit einem sehr talentierten, aber gleichzeitig auch extrem unzuverlässigen Musikproduzenten zusammengearbeitet hatte. Ich und auch andere Musiker haben auf diese Zusammenarbeit gebaut und viel Hoffnung, Zeit und Geld da rein investiert. Am Ende standen wir mit leeren Versprechungen da und besonders ich ohne Geld und ohne Album, obwohl es schon komplett fertig aufgenommen war.
Nach einer Weile habe ich dann endlich wieder neue, zuverlässigere Leute kennengelernt. Es hat nämlich ein wenig gedauert, bis ich das richtige Musikstudio gefunden habe, denn man glaubt gar nicht, was für Knebelverträge einem in manchen Musikstudios versucht wird anzudrehen.
Also habe ich mein Album nun bei Thomas Radermacher (Designer Sound Aachen) komplett neu aufnehmen und einige Songs austauschen müssen. Zum Glück habe ich letztendlich aber alles klären können, sodass ich mein Album rechtlich einwandfrei ohne Bedenken veröffentlichen konnte. Es war aber ein verdammt steiniger Weg von der Idee bis zum Release, wo ich mir vorstellen kann, dass einige schon längst aufgegeben hätten, wenn man nicht diese Liebe und Leidenschaft zur Musik hat wie ich.
Deine Songauswahl auf dem Album reicht ja von Gangsta-Rap bis Funky-Gute-Laune – daher lässt Du Dich schlecht kategorisieren – wie würdest Du Dich & Deinen Sound beschreiben?
Ich mag es nicht in Schubladen gesteckt zu werden und einen Stempel aufgedrückt zu bekommen. Das ist einer der Gründe, warum das Album so vielseitig und abwechslungsreich geworden ist. Ich wollte damit zeigen, was alles in mir steckt. Das war mir besonders bei meinem Debütalbum sehr wichtig, damit die Menschen meine unterschiedlichen Seiten kennenlernen, mein Potential erkennen und damit für jeden Zuhörer etwas dabei ist. Es gibt zum Beispiel Alben anderer Künstler, die nur bei einer bestimmten Zielgruppe funktionieren, aber „Crystyle“ hatte von Anfang an den Anspruch massentauglich zu sein. Bisher bin ich noch niemandem begegnet, der nicht zumindest einen Song von dem Album extrem gefeiert hat und das allein ist schon ein großes Kompliment für mich und zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Das Album besteht ja überwiegend aus persönlichen Liedern und Partysongs. Ich denke diese Mischung ist besonders als Debütalbum für den Zuhörer durchaus interessant, da man mich und meinen Hintergrund dadurch besser kennenlernen kann und gleichzeitig etwas Unterhaltsames zur Auflockerung hat. Zum Glück besteht das Leben ja nicht nur aus ernsten Themen. 😉
Ich denke „Straßenrap“ würde noch am ehesten meinen Style beschreiben. Ich bin leider in keinem wohlhabenden Viertel aufgewachsen und musste mich schon früh behaupten, habe so einiges erlebt und schon in jungen Jahren zahlreiche Schicksalsschläge verkraften müssen. Ich denke, ich kann das in meiner Musik gut verarbeiten und anderen dadurch vielleicht ein wenig Kraft oder Hoffnung schenken. Ich benutze in meinen Texten außerdem in der Regel möglichst einfache Worte, um Dinge so zu beschreiben, damit sie jeder versteht. Ich denke, man hört auch aus dem Album raus, dass ich mit dem ganzen amerikanischen Westcoast Rap aufgewachsen bin, daher werden diese Einflüsse vermutlich auch immer ein Schwerpunkt in meiner Musik bleiben. Die Rede- und Meinungsfreiheit spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine zentrale Rolle. Heutzutage gibt es z.B. Leute, die keine eigene Meinung haben. Wie kann das sein? Oft wird von einem z.B. im Beruf erwartet, dass man sich unterordnet, integriert, anpasst. Ich hatte aber schon immer meinen eigenen Kopf und es fiel mir nie leicht Autoritäten zu akzeptieren oder mich irgendeiner Gruppe anzupassen. Rapmusik ist daher ein gutes und auch wichtiges Instrument, um die eigene Meinung frei zu äußern, auch wenn diese nicht überall akzeptiert wird, erwünscht oder politisch korrekt ist.
In Sachen Promo und Bandbreite bist Du ja schon ziemlich gut aufgestellt: CD – Digital – Flyer – Sticker – Merchandise. Das ist ja schon ziemlich professionell. Woher nimmst Du dein Know-How im Music-Bizz? Und vor allem, wie lange machst du schon Musik?
Danke. Es ist auch nicht immer einfach, das Alles alleine zu bewältigen, und das noch parallel zu einem Vollzeitjob. Nun ja, das ist eine interessante Frage. Woher nimmt man Wissen? Aus Büchern! In der Tat habe ich mir damals zwei Bücher über das Musikbusiness gekauft, in dem so ziemlich das Wichtigste drinsteht. Eins heißt „Alles, was Sie über das MusikBusiness wissen müssen“ und das andere „Die neue Praxis im Musikbusiness“. Des Weiteren gibt es noch zahlreiche gute Bücher zum Thema „Marketing“. Das empfehle ich auch jedem, der etwas nicht weiß: Investiert Zeit und Geld in Bücher! Schließlich sagt man nicht umsonst „Wissen ist Macht.“, und welche Investition wäre besser, als die in sich selbst?
Ich muss zugeben, ich war ganz am Anfang sehr orientierungs- und planlos, denn es gab niemanden in meinem Umfeld, der mir etwas über das Musikbusiness oder Rap hätte beibringen können. Obwohl ich mir einen Mentor immer sehr gewünscht habe, wurde mein Talent leider nie gefördert, und es blieb mir nichts anderes übrig, als einfach nur immer die richtig erfolgreichen Rapper, wie Dr. Dre und Eminem zu beobachten und zu analysieren. Daraus habe ich aber eine Menge lernen können.
Über das Album „2001“ von Dr. Dre bin ich übrigens damals auch zum Rap gekommen. Erst seit dem Moment habe ich wirklich angefangen Rap zu hören, und nehme dieses Album oft als Maßstab, da es für mich eins der großartigsten Meisterwerke im Rap ist, das jemals geschaffen wurde. Viele haben mich damals ausgelacht und diese Musik nicht so zu schätzen gewusst wie ich, aber heute weiß jeder zweifelsohne, dass sie zu den erfolgreichsten Rappern/Produzenten/Unternehmern im Hip-Hop gehören.
Einige Zeit später habe ich dann selber hobbymäßig versucht Texte zu schreiben und zu rappen, was mir leider nicht so gut gelang. Somit hat es sich dann für mich erstmal erledigt und ich habe mich anderen Hobbys gewidmet. Irgendwann fingen dann auch ein paar Freunde von mir an zu rappen, die das einigermaßen gut draufhatten und so habe ich es dann wieder erneut versucht. Wir nahmen dann Beats von irgendwelchen Rappern aus den Charts, auf denen wir unsere Texte aufnahmen – denn zu dem Zeitpunkt kannten wir niemanden, der uns einen Beat hätte bauen können. In dieser Übungsphase habe ich quasi meinen Style entwickelt und an meinem Wiedererkennungswert gearbeitet. Was zunächst als Hobby anfing, erreichte nun erst nach Jahren seinen Zenit in meinem ersten offiziellen Debütalbum. Es ist also das Ergebnis jahrelanger Übung und Vorarbeit und Nichts, was einfach so über Nacht gekommen ist. Ich bin kein Naturtalent. Ich habe einfach konsequent mit viel Leidenschaft und Ehrgeiz an mir gearbeitet und auf vieles verzichten müssen, um auf das Level zu kommen, auf dem ich heute bin. Nichts und niemand kann mir das mehr wegnehmen.
Wie entstehen Deine Texte eigentlich? Ist das alles Real-Life oder vielleicht auch ein bisschen Show?
Meine Texte schreibe ich alle selber. Das ist Ehrensache. Niemand kann sich besser in mich hineinversetzen und meine Gefühle so zum Ausdruck bringen, wie ich selbst. In der Tat gibt es sehr erfolgreiche Rapper, die Ghostwriter haben, die Songtexte für sie schreiben, aber bei mir ist das nicht der Fall. Es gibt auch Leute, die nicht nur ihre Texte selber schreiben, sondern auch die Beats selber machen. Jedoch sollte sich meiner Meinung nach jeder darauf konzentrieren, was er am Besten kann. Heutzutage ist es aber kein Muss mehr, alles komplett von vorne bis hinten alleine zu machen. Nur so kann man auch effektiv wirtschaftlich arbeiten und regelmäßig Output liefern ohne zu viel Zeit zu verlieren.
In meinen Texten thematisiere ich alles, was ich persönlich erlebt habe und was in meinem Umfeld so Bewegendes oder Lustiges stattgefunden hat. Meistens höre ich zuerst einen Beat, der mich an etwas Vergangenes erinnert und zu einem bestimmten Songthema inspiriert oder ich merke, dass ein bestimmtes aktuelles Ereignis oder eine bestimmte aktuelle Situation sich gut zu einem Song verarbeiten lässt, und ich warte dann nur noch auf den richtigen Beat, um die Idee zu seinem Song umzusetzen. Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass Rapper genauso wie Entertainer und andere Künstler, auf einer Bühne, vor einem Publikum auftreten, das unterhalten werden möchte. Somit gehört ganz klar auch etwas Show mit dazu. Da genügt ja auch schon allein ein Blick auf mein Albumcover. Nicht umsonst heißt auch ein Album von Eminem „The Eminem Show“. Jeder hat auch seine eigene Definition von Realness. Für mich ist vor allem wichtig, dass ein Künstler sich nicht verstellt, also sich z. B. von Anderen sagen lässt, wie er was zu tun hat, sondern einfach seine eigene Musik macht, wie er sie fühlt und die Leute damit bewegt. Ich denke, kaum einer wird ein Album kaufen, das nur aus depressiven und harten Songs besteht. Ein Blick auf die Charts genügt, um zu verstehen, dass lustiger Rap mit Humor besonders oft gut ankommt. Wenn man sich das Ganze in Ruhe ein wenig anschaut und analysiert, kann jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Vielen Dank für das interessante Interview.
Man hört bestimmt demnächst noch mehr von dir…
Ich danke Dir ebenso für das Interview. Es hat sehr viel Spass gemacht auf deine Fragen zu antworten und den Leuten einen tieferen Einblick in meine Arbeit zu ermöglichen. Alles Gute und weiterhin viel Erfolg mit Deinem Blog!