Bonn ist mehr als Beethoven: Der alte Schlachthof und Graffiti – ist das Kunst oder kann das weg?

Wenn Kunst kommerzialisierbar ist, wird sie gefördert und anerkannt. Doch noch ist ja bekanntlich kein Meister vom Himmel gefallen, aber wo sind denn eigentlich die künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten in dieser Stadt?

Wenn es um Graffiti geht, gibt es einfach zu wenig legale Flächen hier in Bonn. Neben den zwei „Hall of Fame“-Wänden, wie die legalen Wände in der Szene genannt werden, gibt es keine weiteren Möglichkeiten legal zu sprayen.

"Meeting of Styles", "Alter Schlachthof Bonn", "Graffiti Bonn"

Dabei geht es in den Medien oft um die Frage, warum Graffiti meistens illegal stattfindet? Ist es Zerstörungswut oder möchte man sich einfach nur ausdrücken, Zeichen setzen, Statements? Graffiti muss nicht perfekt sein, es muss real sein. Man möchte gesehen werden, anerkannt werden. Man möchte vielleicht einfach nur ein Teil einer Geschichte sein.

Dass die Meinung über Graffiti gespalten ist, muss man an dieser Stelle nicht mehr betonen. Doch über Kunst lässt sich bekanntlich ja auch streiten. Die entscheidende Frage ist daher, ob man Graffiti nicht auch öffentlich als Kunstform anerkennen sollte und das hätte zur Konsequenz, dass man den Künstlern auch mehr legale Flächen zur Verfügung stellt.

Wann verschwimmen Schmierereien zu anerkannter Kunst?

Die Stadtwerke Bonn haben Graffiti schon längst als Kunst begriffen und sehen darin weit mehr als Schmierereien. Ob als Auftragsarbeit oder im Wettbewerb lassen sie ihre Fassaden mit dieser Kunstart schmücken und punkten damit gleich zweifach.

Was ist aber mit den anderen Sprayern? Wo sollen die hin?

"Bonn Graffiti"

Es gibt gerade mal zwei legale Wände hier in Bonn und dann beschweren sich alle immer über die vielen Tags und Pieces. Warum ändert Bonn eigentlich nicht mal was an dieser Situation?

Tatsächlich plant die Stadt Bonn jährlich 90.000 Euro in ihrem Wirtschaftsplan des Städtischen Gebäudemanagements (SGB) zur Beseitigung von Graffiti ein, und zwar für das gesamte Bonner Stadtgebiet und nur für öffentliche Flächen. Die Stadtwerke mussten im vergangenem Jahr sogar 286.000 Euro für die Beseitigung von Graffiti aufbringen. So ein Graffiti-Schaden kostet halt schnell mal eine vier bis fünfstellige Summe, aber was den meisten Sprayern nicht bewusst ist: Sie können 30 Jahre dafür belangt werden.

Wenn wir uns das Gelände des alten Schlachthofs einmal genauer an anschauen, so sehen wir Industrieboden, eingeschlagene Scheiben und etliche bunte Graffiti an den Wänden. Der vor mehr als 100 Jahren erbaute Schlachthof wurde seit den 90ern nicht mehr als Schlachthof, sondern als Gewerbe- und Gründungszentrum genutzt, doch seit über zwei Jahren steht das Gelände des alten Schlachthofs nun leer. Obwohl manche Organisationen noch versucht haben eine Genehmigung zur Zwischennutzung zu erhalten, steht dies im heutigen Zustand gar nicht mehr zur Debatte, der Verkauf allerdings schon. Die ehemaligen Veranstalter der Rheinkultur, das Bonn Promotion Department, sind seit September 2014 mit der Stadt Bonn über einen möglichen Verkauf in Verhandlung. Sie möchten gerne 10.000 Quadratmeter des insgesamt 28.000 Quadratmeter großen Grundstücks erwerben, um dort einen Pop-Tempel zu errichten. Geplant sind über 70 Konzerte im Jahr und einige Proberäume. Für weitere 5.000 Quadratmeter hat ein Fassadenhersteller Interesse bekundet. Doch was passiert mit den restlichen 13.000 Quadratmetern?

Meeting of Styles

Was aus einem alten Schlachthof werden kann, hat uns z.B. der alte Schlachthof in Wiesbaden vorgemacht. Aus ihm wurde ein Kulturzentrum für Graffiti und Konzerte. Fanta 4, Deichkind, Fettes Brot oder auch Samy Deluxe: sie alle haben schon im ehemaligen Schlachthof gespielt. Sogar das mittlerweile international etablierte Graffiti-Festival Meeting of Styles fand 1997 im Schlachthof Wiesbaden seinen Anfang.

"Meeting of Styles" "MOS Logo"

Das ursprüngliche Wall-Street-Meeting hatte im Zeitraum von 1997 bis 2001 über 25.000 Besucher und wuchs langsam aber sicher über die Kapazitäten des alten Schlachthofs hinaus. Das Kulturzentrum ist bis heute ein bedeutender Bestandteil des Wiesbadener Kulturlebens und das Graffiti-Festival „Meeting of Styles“ (MOS) ist längst nicht mehr wegzudenken.

Künstler und Kunstliebhaber aus aller Welt pilgerten jährlich zu dem Treffen von internationalen und nationalen Graffiti-Artists nach Wiesbaden und so entstand 2002 neben dem jährlichem MOS-Festival das internationale Meeting of Styles Worldwide, welches u.a. mit Events in Peru, Mexiko, Brasilien und sogar den USA seitdem schon über 200 Veranstaltungen realisiert hat.

Wäre dieses neue Nutzungskonzept eines alten Schlachthofs auch in Bonn denkbar?

Möglich wäre es. Zwar müsste man Sponsoren finden, doch wie wäre es denn da mit der Deutschen Bahn? Diese verzeichnet durch Vandalismus und Graffiti-Delikte jährlich einen Schaden von 30 Millionen Euro, Tendenz steigend. Anstatt aber nur auf den Versuch zu setzen, das Erfolgserlebnis der Sprayer zu schmälern, indem sie die Schäden innerhalb von 24 bis 72 Stunden entfernt, könnte die Deutsche Bahn doch mal auf Kooperation setzen. Laut der Kommunikationsabteilung der DB kostet so eine Neulackierung eines kompletten Triebwagens locker mal 15.000 Euro und dauert rund sieben Tage. Irgendwie verständlich, dass die Deutsche Bahn auf Graffiti nicht gut zu sprechen ist. Doch wie wäre es, wenn die Deutsche Bahn diese Kunstform auch endlich mal als solche anerkennt und als Sponsor mal was „für“ die Sprayer tut? Als Dankeschön würden sie dafür in Zukunft vielleicht auch etwas mehr Respekt für die empfindlichen Lacke ihrer Personenbeförderungszüge erhalten, zumindest in der Region…

Quellen: