Patriarchalische polnische Politik [ Glosse ]

Rainbow Kuchen | Chaoskind
WO DIE JUNGS DIE HOSEN ANHABEN UND DIE MÄDCHEN SCHÖN KUSCHEN MÜSSEN…

Polen sorgt bei der EU schon lange für Kopfzerbrechen, denn das katholisch konservative EU-Land spielt gerne nach seinen eigenen Regeln, und das bedeutet Poland first! Komme was da wolle, alles bleibt beim Alten. Im vergangenen Jahr während der Präsidentschaftswahlen hatte Polen kurz ein Licht am Himmel gesehen, es war ein kleiner Regenbogen. Der Oppositionspolitiker Rafał Trzaskowski kandidierte gegen den amtierenden Präsidenten Polens, Andrzej Duda, und wollte sich u.a. für die Rechte der LGBTQ-Community einsetzen. 

Doch Duda ist nicht dumm und spielte die Familien-Karte, gewann das Spiel und dann hieß es: „…aus die Maus! Klappe zu! Affe tot.“ Das Volk hat gewählt und nun fährt die erzkonservative Regierungspartei PiS (Prawo i Sprawiedliwość) schön weiter in gewohnter Manier. Neben mittlerweile über 100 LGBTQ-freien Zonen, die es in Polen offiziell oder inoffiziell gibt, ist das allerdings nur der Anfang. Zu Beginn des Jahres 2021 hat das polnische Verfassungsgericht ein Gesetz verabschiedet, das Abtreibungen nahezu generell verbietet. Doch wer A sagt, muss auch B sagen! Und wer schon über neues Leben im Mutterleib entscheiden möchte, der kann eigentlich auch ganz über die Frau herrschen. So geht Polen also noch einen Schritt weiter und kündigt jetzt an, dass es zeitnah auch aus der Istanbul-Konvention austreten möchte. Diese Konvention ist eine gemeinsame Vereinbarung von EU- und Nicht-EU-Ländern, die den Schutz vor Gewalt gegen Frauen gewährleisten, und insbesondere häusliche Gewalt verhindern, verfolgen und beseitigen soll.

Die Begründung der polnischen Regierung lautet: „Brauchen wir nicht! Wir haben da unsere eigenen Regeln!“. Ja, und dass diese allerdings mal ganz schnell durch die Prüfung von Amnesty International gefallen sind, kann man überall nachlesen…

In dem Bericht von Amnesty International (Stand: Herbst 2020) wurde die polnische Gesetzeslage mit der Istanbul-Konvention verglichen und heraus kam u.a., dass die „Definition von Gewalt“ im polnischen Recht und insbesondere die „Schutzmaßnahmen für Gewaltopfer“ in eindeutiger Diskrepanz zum Istanbul-Abkommen stehen. Aber anstatt seine Gesetze dementsprechend nachzubessern, möchte Polen jetzt einfach nicht mehr mitspielen. Die Türkei hat es ja bereits zum 01. Juli 2021 vorgemacht und da haben sich zwar alle aufgeregt, aber Polen darf das! Polen spielt nämlich nur mit, wenn es ums große Geld geht und nicht, wenn es um sowas wie Nichtdiskriminierung oder Opferschutzmaßnahmen geht. Das hat Polen schließlich auch von Anfang an klar gemacht, denn schließlich hat es ja auch nicht die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ unterschrieben.

Denn da steht nämlich unter Artikel 21:

Nichtdiskriminierung 

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der eth­nischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten. CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION 

Dennoch gelten auch für Polen gewisse EU-Spielregeln, nämlich die „Grundwerte der Europäischen Union“ und darin steht in Artikel 2 EU-Vertrag:

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Ja, und wer sich jetzt sagt „Da stimmt doch was nicht!?“, der liegt damit schon ganz richtig. Das hat der Schiedsrichter (Europäische Kommission) nämlich auch schon gemerkt und hat aktuell  ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und Polen im Zusammenhang mit Gleichberechtigung und dem Schutz der Grundrechte eingeleitet. Ungarn hat Polen nämlich in die Karten geguckt und will es seinem Mitspieler jetzt gleichtun. Und was macht unsere EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen? Die hat einigen LGBTQ-freien Zonen gesagt, die dürfen nicht mehr mitspielen. Immerhin. Und sonst? Frau von der Leyen twittert. Klar, was sonst? Ohne Social-Media geht heutzutage ja gar nichts mehr!

Dabei wäre es doch wirklich mal an der Zeit, dass der Schiedsrichter endlich mal „Stopp!“ sagt. „Bis hierhin und nicht weiter, und am Besten wieder mal ein gutes Stück zurück!“, wie beim Monopoly. Denn eigentlich ist Polen ein Land mit einer herzlichen Kultur, und eigentlich müsste Polen doch auch wissen, dass wenn man so viel Geld an Subventionierung von der EU bekommt, zumindest fair spielen muss.

Immerhin steht grade auch sehr viel Geld auf dem Spiel!

Die neue EU-Förderperiode 2021 – 2027 steht nämlich vor Tür und da rechnet Polen mit über 173 Milliarden Euro für Investitionen in die Energiewende, den Schienenverkehr und den Wohnungsbau. Doch die Subventionierungen beinhalten ebenfalls den EU-Sozialfond (ESF+) und dafür muss man dann halt auch gewisse Spielregeln beachten wie z.B. „Gleichstellung von Frauen und Männern, Chancengleichheit, Nichtdiskriminierung und Nachhaltigkeit“.

Von daher: ich bin gespannt, wie das Spiel letztendlich ausgeht.