SVEN VÄTH – WHAT I USED TO PLAY | VÖ: 03-02-23

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Sven Väth veröffentlicht seine persönliche Retrospektive mit musikalischen & eklektischen Highlights aus der Frühzeit der elektronischen Musik (1981-1990)

In dieser persönlichen Retrospektive auf 12 Vinylscheiben (sowie 3xCDs) nimmt uns Sven Väth mit in die Frühzeit seiner DJ-Karriere. Auf „What I Used To Play“ (WIUTP) begegnen wir großen Pionieren der elektronischen Musik, begnadeten Percussionisten, obskuren Wave-Bands und innovativen Producern einer „damals“ neuen Elektronikschule. Roughe Beats und unwiderstehliche Grooves aus der Findungsphase von House, Techno und Acid erinnern daran, wie weit sich die elektronische Musik in den vergangenen vier Dekaden entwickelt hat – und wie großartig es war, zum ersten Mal auf EBM, Techno und House zu tanzen.   „What I Used To Play“ könnte auch heißen „Eklektische Klänge aus einer wilden Zeit“. Auf jeder der vierundzwanzig Vinyl-Seiten lässt sich Track by Track nachvollziehen, was Sven Väth in welcher Phase geprägt hat.

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Es war eine tolle Reise, und mit jedem Track kamen schöne Erinnerungen hoch...“

Wenn es einen besonderen Protagonisten in der elektronischen Musikszene gibt, der über vier Jahrzehnte neugierig, innovativ und auf dem allerneuesten musikalischen Stand der Dinge geblieben ist, dann ist es Sven Väth. Nicht nur seine vielschichtigen Artist-Alben und die „Sound of the Season“-Mix-Compilations waren über zwei Jahrzehnte stilprägend. Er ist auch heute noch ständig auf der Suche nach dem nächsten guten Track, nach den Highlights für sein nächstes Set, wenn er nicht gleich als Künstler oder Remixer selbst welche produziert. „Eigentlich ist es Teil meiner DNA, immer nach vorne zu denken…“, und nichts lag ihm bislang ferner als eine Rückschau in die eigene Vergangenheit. Aber als im Frühling 2020 der internationale DJ Circuit plötzlich quasi auf Null heruntergefahren werden musste, hatte der rastlose Reisende auf einmal Zeit. Zeit zur Einkehr, zum Nachdenken, „wie das damals eigentlich war, ganz am Anfang meiner Karriere (…) Es war eine tolle Reise, und mit jedem Track kamen schöne Erinnerungen hoch…“

"Die wichtigsten Tracks haben wir bekommen.“ 

Sven Väth zog sich immer wieder tagelang zurück, „um erstmals weit zurückzuschauen und sozusagen meine musikalische Reise durch die achtziger Jahre noch einmal Revue passieren zu lassen.“ Das Zwischenergebnis waren sechs thematisch orientierte Playlists mit insgesamt 120 Stücken – von „Early 80s“ bis hin zu „Balearic Late 80s“, dazwischen Afrobeat, europäische Wave- und EBM-Sounds und ein paar epochale Techno/House-Tracks aus den USA. Aus diesen „Best of Sven Väths Favorites“ wiederum kristallisierte sich dann das Projekt „What I Used To Play“ heraus. Sven Väth erinnert sich, wie das Cocoon-Team auf seinen Vorschlag reagierte: “Die fanden die Idee, daraus eine Compilation zu machen, von Anfang an MEGA und meinten alle „Sven, go for it!“, aber dann ging die Arbeit natürlich erst richtig los: die Rechte zu klären und sauber klingende Masters von den bis zu 40 Jahre alten Tracks zu bekommen. Es gab natürlich auch Bad News: Gewisse Titel konnten wir nicht klären, weil die Rechteinhaber in den USA untereinander verkracht oder einfach von der Bildfläche verschwunden waren. Kurz: Es war nicht einfach, aber jetzt kann ich sagen: Die wichtigsten Tracks haben wir bekommen.“ 

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Nach zwei Jahren Recherche, Curation, Design und administrativer Feinarbeit liegt die „kleine Retrospektive“ aus den Jahren 1981 bis 1990 nun endlich vor. Auf jeder der vierundzwanzig Vinyl-Seiten lässt sich Track by Track nachvollziehen, was ihn in welcher Phase geprägt hat, und wie er als DJ vom elterlichen Queen’s Pub direkt ins Dorian Gray durchstartete. Dort und im Vogue wurde Sven Väth zu dem stilprägenden Akteur in der DJ Booth, der er bis heute ist.

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1981 – 1990: Future Sounds of Now

Anfang der Achtziger tanzte die Crowd in Clubs wie Vogue und Dorian Gray zu dem, was man heute „Dance Classics“ nennen würde: vorwiegend Disco, Funk, Soul und Chartspop. Es war erst an einer neuen DJ-Generation, der auch Sven Väth als damals jüngster Protagonist im Rhein-Main-Gebiet angehörte, ihren eigenen clubtauglichen Musikmix zu kreieren. Gute neue Tracks und potenzielle Floorfiller waren Raritäten, die man suchen und finden, derer man sich würdig erweisen musste. Es gab damals weder MP3s, Internet-Streaming oder sonstige drahtlose Übertragungsmöglichkeiten. Auf diese Weise kam die Musik nicht zum DJ, sondern sie wollte gefunden werden. In gut sortierten Plattenläden in Frankfurt und Wiesbaden oder auch in Amsterdam, London oder New York fanden Sven & Friends das Material für zahllose magische Nächte. Auf „WIUTP“ können wir Sven Väths ganz persönliche Reise durch diese wilde, innovative Ära nachvollziehen, in der Synthpop, Funk, Hip Hop und Disco als „Clubmusik“ sukzessiv von House, Techno, Acid und Breakbeats abgelöst wurden. Zum Ende des Jahrzehnts war dann deutlich absehbar, dass die exotischen Randerscheinungen bald zum Massenphänomen werden würden.

 >> Early 80s <<

„Dirty Talk“ vom italienisch-amerikanischen Duo Klein & M.B.O. steht wie kaum ein anderer Track für die innovative Phase des Genres Italo Disco in den frühen achtziger Jahren. Mario Boncaldo und Tony Carrasco setzten ganz auf die unverfremdet synthetischen Drum- und Percussion-Sounds der Roland TR-808, gekoppelt mit den lasziven Vocals von Rossana Casale und Gitarren-Akzenten von Davide Piatto. Natürlich waren auch weitere Titel aus dieser Zeit stilprägend, ganz besonders „Unit“ von Logic System, das als perfekter Soundtrack zur Laser-Lichtanlage im Großen Club des Dorian Gray funktionierte. Mit stampfenden Beats und roboterhaften Rap-Einlagen gehört auch „Bostich“ von Yello auf Svens ewige Playlist – immerhin machten die Schweizer damit Afrikaa Bambaataa auf sich aufmerksam, der sie 1983 ins Roxy nach New York einlud.

>> EBM Wave Mid 80s <<

Aus heutiger Sicht würde man den 9 ½ Minuten langen Downtempo Track „Giant“ von Matt Johnsons Band-Projekt The The wohl nicht direkt als Club-Klassiker bezeichnen. Doch bei genauerem (Wieder-)Hinhören erschließen sich die rhythmischen Feinheiten der von JG Thirlwell (alias Foetus) zu Johnsons Komposition eingespielten Percussions, und es wird klar, warum dieses außergewöhnliche Musikstück zu Väths absoluten Favorites gehört. Andere Klassiker aus dieser Phase sind „Kaw-Liga“ von The Residents, das hypnotisch-synthetische „Our Darkness“ von Anne Clark und David Harrow, und nicht zuletzt auch die düster monotone Hymne „Where Are You“ von 16Bit, dem gemeinsamen Projekt von Michael Münzing, Luca Anzilotti und Sven Väth himself aus dem Jahr 1986.

>> US House – Late 80s <<

Man kann nicht über Chicago House reden, ohne Frankie Knuckles zu erwähnen. Der Resident-DJ im Warehouse gab nicht nur einem ganzen Genre den Namen, sondern produzierte auch epochale Floorfiller auf dem Trax-Label wie das von Jamie Principle gesungene „Your Love“. Ebenfalls aus Chicago kommen Phuture. Auf ihrem „We are Phuture“ hören wir die zwitschernden Acid-Sounds der legendären Roland TB-303. Ebenfalls nicht fehlen darf Model 500 aus Detroit mit „No UFO’s“. Zurecht gilt Juan Atkins als „Godfather of Techno“, auch wenn der stilprägendes Track von 1985 noch den Geist von Hip Hop und Electro Beats der ersten Breakdance-Ära atmet.

>> Afrobeat <<

Aus dem Jahr 1978 stammt ein Stück, das anders klingt als alle anderen Tracks auf „WIUTP“. Der gebürtige Algerier Abdelmadjid Guemguem schuf mit „Le Serpent“ einen monumentalen, mitreißenden Groove. Dafür brauchte er keinen Bass und keinen Synth, sondern nur fünf Congas. Auch, wenn Guem leider im Jahr 2021 verstarb, seine unsterblichen akustischen Beats werden auf der ganzen Welt verstanden und noch viele tausend DJ-Sets bereichern. Ein weiterer Klassiker, den nicht nur Sven Väth über alle Maßen schätzt, ist Hugh Masekelas „Don’t Go Lose it, Baby“. Der Trompeter und Freiheitskämpfer aus Johannesburg war nicht nur einer der wichtigsten Jazzpioniere, sondern auch – ähnlich wie Miles Davis und Herbie Hancock – sehr experimentierfreudig und integrierte in späteren Jahren auch elektronische Sounds in seine Musik.

>> UK|US|EU – Late 80s <<

Szenenwechsel – im wahrsten Sinne des Wortes: In dieser Sektion sind wir musikalisch wie auf einem anderen Planeten unterwegs. Angefangen mit dem grandiosen Andrew Weatherall Remix von Primal Screams „Loaded“. Das Sample von Peter Fonda aus dem Bikerfilm „Wild Angels“ von 1966 beschreibt die Stimmung im britischen „Second Summer of Love“ Ende der Achtzigerjahre sehr passend: „We wanna be free to do what we wanna do, and we wanna get loaded…“ In dieser Zeit fand sich auch das Projekt M/A/R/R/S, dessen einzige Single „Pump Up The Volume“ aus dem Jahr 1987 mit Unterstützung von DJ-Legende CJ Mackintosh zum Club-Klassiker wurde. 

>> Balearic – Late 80s <<

Wer ihn kennt, weiß, dass Sven Väth schon als Teenager sein Herz an die „Magic Island“ Ibiza verloren hatte. Insofern konnte das Projekt „WIUTP“ auch nicht ohne ein Balearic-Kapitel zu Ende gehen. Da hinein gehört z.B. das unsterbliche Sueño Latino der gleichnamigen Formation, inspiriert von Manuel Göttschings „E2-E4“. Gleichfalls beliebt auf der Insel war und ist „Break 4 Love“ von Raze, das allerdings auch ins House-Kapitel gepasst hätte. Last but not least gibt es hier ein überfälliges Wiederhören mit Sven Väth selbst, in seiner Funktion als Frontman des Frankfurter Erfolgstrios OFF. Diese „Organisation For Fun“, bestehend aus Michael Münzing und Luca Anzilotti (später Snap!), hatte mit „Electrica Salsa“ 1986 einen sehr ungewöhnlichen Clubhit und ganz nebenbei auch einen internationalen Chart-Smasher kreiert, der Sven in die Lage brachte, sich zwischen einer Popstar- oder DJ-Karriere entscheiden zu können. Wie die Entscheidung ausfiel ist bekannt. Der Rest ist Geschichte. Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Geschichte ist „What I Used To Play“. 

FAZIT: Diese Compilation ist für jeden Sven-Väth-Fan und Liebhaber elektronischer Musik ein absolutes Must-Have! Das edel verpackte, 100% analoge und 3 Kilo schwere Vinyl Box-Set ist nicht nur physisch beeindruckend, „What I Used To Play“ ist auch die ultimative Manifestation von Sven Väths musikalischer Sozialisation.